Diese 4 Schlüsseltrends werden den Lademarkt verändern

von Virta
4 Min
20.10.2020 07:45:00

Der Wandel in der Ladebranche für Elektrofahrzeuge schreitet mit immer größerem Tempo voran. Das Geschäftsfeld wird sich bereits im Jahr 2025 ganz anders darstellen als heute, so Elias Pöyry (CBO Virta).

Dabei gibt es vier Schlüsseltrends welche die Ladebranche in den nächsten Jahren gravierend beeinflussen werden: Markenbindung, End-to-End Wertschöpfungsketten, Energiemanagement und übergreifende Funktionalität. Im Folgenden werden wir diese vier Trends einzeln beleuchten und eruieren, was diese genau bedeuten.

Die eigene Marke ist der Schlüssel zum Erfolg

Wenn Elektroautofahrer unterwegs sind, erachten sie Lademöglichkeiten als einen absolut unumgänglichen Service und machen dort Halt, wo Sie ihre Batterien laden können.
Es ist also kein Wunder, dass fast jeder Geschäftszweig mit direktem Kundenkontakt - von Einkaufszentren und Restaurants bis zu Hotels; von Energieunternehmen bis zu Tankstellen - erwägt, das Laden von Elektrofahrzeugen als Teil der gesamten Kundenerfahrung anzubieten.

Kunden neigen generell dazu, bei Marken einzukaufen, die sie bereits kennen. Das verhält sich beim elektrischen Aufladen nicht anders - die Fahrer steuern bevorzugt die Lademöglichkeiten von bereits vertrauten Unternehmen an.

Im Umkehrschluss wünscht sich jeder Geschäftsinhaber oder Land- und Immobilienbesitzer, dass die eigene Marke mit dem Laden von Elektrofahrzeugen in Verbindung gebracht wird. Das Branding geht aber weit darüber hinaus, einfach ein paar Logosticker auf Ladesäulen zu kleben. Es bedeutet ein allumfassendes Markenerlebnis, das Kerngeschäft sollte vollständig in das Ladeerlebnis integriert werden, inklusive zusätzlicher Treueprogramme.

Um den Service verbessern zu können, möchten die meisten Ladesäulenbetreiber darüber hinaus natürlich auch Daten ihrer Kunden sammeln können. In den kommenden Jahren werden wir erleben, dass selbst kleinste Unternehmen in den Lademarkt einsteigen und Lademöglichkeiten als selbstverständlichen Service in ihr bestehendes Portfolio aufnehmen werden.

Man könnte fast sagen, dass sich das Markenerlebnis mit der dazugehörigen Kundenbindung zum wichtigsten der vier beschriebenen Trends entwickelt.

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Versteckte Kosten vermeiden

Der zweite große Trend ist die integrierte, digitale End-to-End Wertschöpfungskette. In anderen Worten: wenn man die beste Benutzererfahrung oder den größten Mehrwert für Ladenetzwerke generieren möchte, muss man die gesamte Wertschöpfungskette durchgängig verstehen und verwalten: Von der Customer Journey bis zur Hardware Journey und von der Wartung über den Betrieb bis hin zum Kundenerlebnis und so weiter.

Diese Vorgehensweise ist erforderlich, da dass das Geschäft mit dem Laden von Elektrofahrzeugen noch nicht sehr profitabel ist. Das wiederum liegt aber nicht an den hohen Kosten einer Plattform oder an Roaming-Vorgängen, sondern an den versteckten Kosten.

Nehmen wir als Beispiel die Rechnungsstellung: Eine Zahlung, die auf das Bankkonto eines Unternehmens eingeht, verursacht im Durchschnitt Kosten in Höhe von 29 Euro.
Diese Summe ergibt sich, wenn das jeweilige Unternehmen alle Beschaffungs-, Clearing-, Verifizierungs- und Buchhaltungsprozesse durchläuft - diese Liste könnte noch beliebig fortgeführt werden.

Diese versteckten Kosten summieren sich und werden so zum größten Kostenfaktor im Ladegeschäft. Dieses Problem kann nur durch eine klare und durchsichtige End-to-End Wertschöpfungskette vermieden werden.
Die spätere Endkundenerfahrung hängt auch stark mit der Fähigkeit des jeweiligen Unternehmens zusammen, die Wertschöpfungskette von Anfang bis Ende zu verwalten und transparent zu halten.

Das Streben nach Kosteneffizienz wird die Marktteilnehmer in Zukunft noch mehr dazu bringen, sich auszutauschen und zusammen zu arbeiten.  

Kontrolle über den Energieverbrauch übernehmen

Ein weiterer wichtiger Trend ist das Energiemanagement. Wir sehen bereits jetzt, dass immer mehr Kaufentscheidungen auf der Fähigkeit eines Services beruhen, Energiereserven zu verwalten.
Warum? Weil das wiederum direkte Kosten einsparen kann, zum Beispiel Installationskosten.

Die nächste Phase wird dann die flexible Energieverwaltung sein: Batterien und Energiespeicher in Elektrofahrzeugen sind die kostengünstigen im gesamten Energiesystem, da sie keine zusätzlichen Kosten für Unternehmen verursachen.
Darüber hinaus verursachen Elektrofahrzeuge  keine zusätzlichen Infrastrukturkosten, da das Ladesystem bereits vorhanden ist. Sie laufen auch ohne Wartungs- und Betriebskosten für Unternehmen, da die Betriebskosten bereits von den EV-Fahrern und Ladenetzwerkbetreibern übernommen werden.

Dieser Trend ist bereits in vollem Gange. Eine eigene V2G-Technologie wird nicht benötigt, alle EV-Ladegeräte können entsprechend justiert werden und so zu aktiven Akteuren auf den Märkten für Energieflexibilität werden.

Übergreifende Funktionalität – eine Grundvoraussetzung für die Massentauglichkeit elektrischer Fahrzeuge

Roaming ermöglicht es E-Autofahrern, an vielen verschiedenen Ladestationen zu laden, auch wenn der Fahrer selbst Kunde von nur einem Anbieter ist. In der Praxis bedeutet dies, dass E-Autofahrer mit nur einem Account fast grenzenlos laden können.

Roaming möchten wir im Endeffekt alle und insbesondere E-Autofahrer erwarten Anbieter übergreifende Funktionalität als Standard. Es gibt zwei Arten um Roaming zu organisieren und umzusetzen: Eine ist zentralisiert und die andere nennt sich Peer-to-Peer. Leider gibt es in den zentralisierten Roaming-Märkten derzeit einen asymmetrischen Wettbewerb zwischen den Ladenetzbetreibern: Manche Betreiber möchten ihr Netzwerk nicht für andere öffnen. Sie verfügen über separate EMP-Dienste, möchten jedoch weiterhin Zugriff auf die Ladesysteme anderer Mitbewerber haben, während ihr EMP-Dienst vom Großen Ganzen getrennt bleibt.

Dieses Ungleichgewicht treibt die Preise in die Höhe. Da es keine festgelegten Regeln zum Fair Play zwischen den Anbietern gibt, schotten viele Marktakteure die eigenen Netzwerke ab und verhindern so ein ausgedehntes Roaming Netzwerk. Wenn es nicht gelingt, dieses Problem zu lösen, wird dies unweigerlich zu Peer-to-Peer Strukturen führen. Diese bilateralen Vereinbarungen sind wiederum um einiges kostenintensiver, als ein offenes, zentralisiertes Roamingsystem.

Jetzt ist es an der Zeit, dass sich alle Akteure darauf einigen, wie man Roaming- und Preisstrukturen entwickeln kann, die für alle Parteien angemessen sind und die gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen allen Ladesystemen gewährleisten. Nicht die EMPs sind der Kern des Lademarktes, sondern die Ladenetzwerke.

Deutschland hat Gespräche über die Regulierung von Roaming im Elektromobilitätsmarkt auf EU-Ebene begonnen. Roaming muss in Form von festgelegten Preisen oder vertraglichen Regelungen vereinheitlicht und gesichert werden.

In die Weiterentwicklung verschiedener Technologien sollte aber nicht eingegriffen werden. Bestünde die Wahl zwischen nur einer Technologie oder eben einer Lösung, so wäre das ein Schritt zurück.

Es gibt bereits mehrere Technologien auf dem Markt und einige neue werden derzeit entwickelt. Es ist wichtig, die Roaming-Technologie neutral und fair zu halten.


Elias Pöyry war einer der Sprecher auf der Interchange Network Conference in Berlin 2020.

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