Negative Strompreise: Entstehung, Auswirkungen und Chancen

Kapitel 1

Einleitung

Der Ausbau erneuerbarer Energien führt immer häufiger zu Situationen, in denen das Stromangebot die Nachfrage übersteigt – mit der Folge, dass die Preise an der Strombörse ins Negative rutschen. Negative Strompreise sind längst kein Randphänomen mehr, sondern ein zentrales Thema für Energieversorger, Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen, Unternehmen und zunehmend auch für private Verbraucher.

Besonders relevant ist dieses Thema für Deutschland, aber auch Österreich und die Schweiz erleben immer mehr Stunden mit negativen Preisen. In diesem Guide erfahren Sie, wie negative Strompreise entstehen, welche Auswirkungen sie auf den Markt haben und wie Sie von diesen Entwicklungen profitieren können.

Kapitel 2

Negative Strompreise in Deutschland: Vom Ausnahmefall zum wiederkehrenden Phänomen

Negative Strompreise – also Situationen, in denen Strom zu einem Preis unter null Euro pro Megawattstunde (€/MWh) gehandelt wird – sind in den letzten Jahren auf dem deutschen Großhandelsmarkt immer häufiger geworden.

Konkret bedeutet das: Erzeuger, insbesondere Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen und konventionellen Kraftwerken, müssen dafür bezahlen, dass ihr überschüssiger Strom abgenommen wird. Gleichzeitig können Verbraucher, die ihre Nachfrage flexibel erhöhen können, von negativen Preisen profitieren und werden im Extremfall sogar dafür bezahlt, Strom zu verbrauchen.

Lange galten negative Strompreise als absolute Ausnahmeerscheinung. Doch mittlerweile treten negative Strompreise immer häufiger auf – ein deutliches Zeichen für die tiefgreifenden Veränderungen im Stromsystem, die vor allem durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien und die Dynamik von Angebot und Nachfrage ausgelöst werden.

Für den gesamten Energiesektor, aber auch speziell für das Laden von Elektrofahrzeugen und die Betreiber von Ladeinfrastruktur, ist es entscheidend, die Ursachen und Auswirkungen dieses Phänomens zu verstehen, um Chancen zu erkennen und Risiken zu minimieren.

Die Häufigkeit negativer Strompreise nimmt zu

Bis zum Beginn der 2020er Jahre gab es in Deutschland nur sehr wenige Stunden mit negativen Strompreisen. Im Jahr 2020 – geprägt durch einen Nachfragerückgang während der Corona-Lockdowns – wurden erstmals knapp 200 Stunden mit negativen Preisen gezählt.

In den Folgejahren schwankte die Zahl, doch seit 2023 ist ein deutlicher Anstieg zu beobachten: Bis August 2025 wurden laut EPEX Spot bereits 457 Stunden mit negativen Preisen registriert – das ist mehr als für das gesamte Jahr Rekordjahr 2024 und fast doppelt so viele wie noch 2023.

Auch in Österreich und der Schweiz ist dieser Trend spürbar, wenn auch auf niedrigerem Niveau. In Österreich wurden 2024 rund 120 Stunden mit negativen Preisen gemeldet, in der Schweiz etwa 60 Stunden. Die Entwicklung zeigt: Negative Strompreise sind längst kein rein deutsches Phänomen mehr, sondern betreffen zunehmend den gesamten mitteleuropäischen Strommarkt.

Stunden mit negativen Strompreisen in Deutschland von 2014 bis 2024

Überproduktion durch erneuerbare Energien als Treiber

Auffällig ist, dass negative Strompreise besonders häufig im späten Frühjahr und Sommer auftreten – vor allem zwischen 12 und 16 Uhr von Mai bis September. In diesen Stunden fällt die maximale Solarstromproduktion mit einem vergleichsweise niedrigen Verbrauch zusammen.

Das führt zu einem Überangebot, das durch die begrenzte Flexibilität konventioneller Kraftwerke und die noch unzureichende Speicherkapazität nicht ausgeglichen werden kann. So entstehen negative Strompreise, die sich auf den gesamten Day-Ahead-Markt auswirken.

Ein besonders extremes Beispiel ereignete sich am 2. Juli 2023, als der Day-Ahead-Preis auf -500 €/MWh fiel – ein historischer Tiefstand. Der Mai 2025 ist der bisherige Rekordmonat mit einem Börsenstrompreis von durchschnittlich 6,8 ct/kWh. Insgesamt fiel der Strompreis an 20 Tagen auf null oder darunter und war an 112 Stunden negativ. 

Solche Situationen sind ein klares Zeichen für die Herausforderungen, die ein hoher Anteil erneuerbarer Energien mit sich bringt.

Kapitel 3

Ein gesamteuropäisches Phänomen: Negative Strompreise breiten sich aus

Negative Strompreise sind längst kein rein deutsches Phänomen mehr. Auch in anderen europäischen Ländern treten sie immer häufiger auf. Die Herausforderungen und Chancen, die mit negativen Preisen verbunden sind, betreffen inzwischen den gesamten europäischen Strommarkt.

Die Dynamik auf dem europäischen Strommarkt

Die Kopplung der europäischen Day-Ahead-Märkte sorgt dafür, dass Preissignale und Stromflüsse grenzüberschreitend wirken. Wenn in Deutschland aufgrund eines hohen Anteils erneuerbarer Energien und schwacher Nachfrage negative Strompreise entstehen, werden diese Effekte oft auf die Nachbarländer übertragen.

Österreich ist durch die enge Marktverbindung mit Deutschland besonders betroffen: Hier werden ähnliche Preismuster beobachtet, auch wenn die Zahl der Stunden mit negativen Preisen etwas niedriger ist.

In der Schweiz, die eng mit dem europäischen Strommarkt verbunden ist, werden ebenfalls immer mehr Stunden mit negativen Preisen registriert. Die Schweiz profitiert dabei von ihrer Rolle als Transitland und von ihren großen Speicherkapazitäten, die es ermöglichen, überschüssigen Strom aus Nachbarländern aufzunehmen oder weiterzuleiten.

Frankreich: Vom Ausnahmefall zum Rekordjahr

Frankreich galt lange als Land mit stabilen Strompreisen, doch auch hier hat sich das Bild gewandelt. Im Jahr 2020 wurden erstmals 102 Stunden mit negativen Preisen gezählt – ein historischer Höchststand, ausgelöst durch den Nachfrageeinbruch während der Corona-Pandemie. Nach einer kurzen Beruhigung stiegen die Zahlen ab 2023 wieder deutlich an: 2023 wurden 147 Stunden mit negativen Preisen gezählt, 2024 sogar rund 359 Stunden – das entspricht fast 4 % des Jahres. 

Die Niederlande: Flexibilität und Herausforderungen

Auch in den Niederlanden, einem Land mit rasant wachsendem Anteil erneuerbarer Energien, häufen sich die Stunden mit negativen Preisen. 2024 wurden dort über 200 Stunden mit negativen Preisen gezählt. Die Niederlande setzen verstärkt auf Windenergie und innovative Speicherlösungen, doch auch hier zeigt sich: Ohne ausreichend flexible Verbraucher und Speicher entstehen negative Strompreise immer häufiger.

Die Niederlande haben den Anteil von Solar- und Windenergie am Strommix von 8 % im Jahr 2015 auf 40 % im Jahr 2023 erhöht.

Finnland und Skandinavien: Negative Preise trotz Wasserkraft

Finnland und die skandinavischen Länder (insbesondere Schweden und Dänemark) erleben ebenfalls regelmäßig negative Strompreise. In diesen Ländern sorgt ein hoher Anteil erneuerbarer Energien – vor allem Wind- und Wasserkraft – für ein Überangebot, insbesondere bei starkem Wind oder hoher Wasserführung.

In Dänemark wurden 2024 mehr als 150 Stunden mit negativen Preisen gezählt, in Finnland und Schweden jeweils über 100 Stunden. Die skandinavischen Länder profitieren zwar von großen Wasserspeichern, doch auch hier zeigt sich: Bei extremen Wetterlagen und geringer Nachfrage können negative Preise auftreten.

Ursachen: Angebot, Nachfrage und die Rolle der erneuerbaren Energien

Die Ursachen für negative Strompreise sind europaweit ähnlich: Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien Anlagen – insbesondere Wind- und Solarenergie – sorgt in Verbindung mit schwankender Nachfrage und der begrenzten Flexibilität konventioneller Kraftwerke für ein Überangebot. Besonders an Wochenenden, Feiertagen oder in den Mittagsstunden im Sommer, wenn die Nachfrage niedrig und die Produktion aus erneuerbaren Energien hoch ist, entstehen negative Strompreise.

Man charging EV with electricity from solar panels on roof

Auswirkungen auf den europäischen Strommarkt

Die zunehmende Zahl von Stunden mit negativen Preisen stellt den europäischen Strommarkt vor neue Herausforderungen. Einerseits profitieren flexible Verbraucher und Länder mit großen Speicherkapazitäten von negativen Strompreisen. Andererseits geraten Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen und konventionellen Kraftwerken unter Druck, da sie bei anhaltend negativen Preisen keine Marktprämie erhalten oder sogar Verluste machen.

Die Entwicklung zeigt: Negative Strompreise sind ein gesamteuropäisches Phänomen, das eng mit dem Fortschritt der Energiewende und der Integration der Märkte verbunden ist. Die Fähigkeit, flexibel auf Preissignale zu reagieren, wird für alle Marktteilnehmer immer wichtiger.

Kapitel 4

Ursachen negativer Strompreise

Negative Strompreise sind kein Zufall, sondern das Ergebnis grundlegender Veränderungen und struktureller Herausforderungen im europäischen Stromsystem. Drei zentrale Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle: der starke Ausbau erneuerbarer Energien Anlagen, eine zeitweise schwache Nachfrage und die mangelnde Flexibilität konventioneller Kraftwerke.

1. Hoher Anteil erneuerbarer Energien und Überproduktion

In Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern wächst der Anteil erneuerbarer Energien kontinuierlich. Besonders Wind- und Solarenergie sorgen dafür, dass zu bestimmten Zeiten – etwa an sonnigen oder windreichen Tagen – sehr viel Strom ins Netz eingespeist wird.

Da erneuerbare Energien Anlagen bevorzugt einspeisen und ihre Produktion wetterabhängig ist, kann das Angebot kurzfristig stark ansteigen. In diesen Situationen übersteigt das Stromangebot die Nachfrage deutlich, was dazu führt, dass negative Strompreise entstehen.

Ein Beispiel: In den Mittagsstunden im Sommer, wenn Photovoltaikanlagen auf Hochtouren laufen und gleichzeitig der Stromverbrauch niedrig ist, kommt es regelmäßig zu einem Überangebot. In Deutschland wurden bis August 2025 an über 457 Stunden negative Preise verzeichnet – ein Großteil davon in den sonnenreichen Monaten und während Zeiten geringer Nachfrage.

2. Schwankende und schwache Nachfrage

Die Nachfrage nach Strom ist nicht konstant, sondern schwankt im Tages- und Wochenverlauf erheblich. Besonders an Wochenenden, Feiertagen oder während der Sommermonate sinkt der Stromverbrauch, da viele industrielle Anlagen stillstehen und der Bedarf in Haushalten geringer ist.

Diese „Nachfrageschwäche“ trifft häufig auf Zeiten hoher Produktion aus erneuerbaren Energien, was das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage verstärkt.

3. Inflexibilität konventioneller Kraftwerke

Konventionelle Kraftwerke – wie Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerke – sind technisch und wirtschaftlich oft nicht in der Lage, ihre Produktion kurzfristig und flexibel an die aktuellen Marktbedingungen anzupassen. Das Herunter- und Hochfahren dieser Anlagen ist mit hohen Kosten und technischen Einschränkungen verbunden. Viele Kraftwerke laufen daher auch dann weiter, wenn negative Strompreise auftreten, und verschärfen so das Überangebot.

4. Begrenzte Speicherkapazitäten und fehlende Flexibilität

Ein weiteres Problem ist die begrenzte Möglichkeit, überschüssigen Strom zu speichern. Zwar gibt es in der Schweiz und Skandinavien große Wasserspeicher, doch europaweit fehlen noch ausreichend Batteriespeicher und andere flexible Lösungen, um Stromüberschüsse aufzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Netz einzuspeisen. Dadurch bleibt das Stromsystem wenig anpassungsfähig und negative Strompreise treten häufiger auf.

5. Marktregeln und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2014 und folgende) sieht für Betreiber größerer erneuerbarer Energien Anlagen die Direktvermarktung vor. Sie erhalten eine gleitende Marktprämie, die jedoch bei anhaltend negativen Strompreisen – gemäß der sogenannten 6-Stunden-Regelung – entfällt. Das bedeutet: Liegt der Day-Ahead-Preis an der Börse sechs Stunden in Folge im Minus, gibt es rückwirkend ab der ersten Stunde mit negativen Strompreisen keine Marktprämie mehr. Diese Regelung soll Anreize schaffen, Anlagen bei Überproduktion abzuschalten, um das Netz zu entlasten.

6. Exportbeschränkungen

Ein weiterer wichtiger Faktor für das Entstehen negativer Strompreise sind Exportbeschränkungen. Zwar ermöglicht die Kopplung der europäischen Strommärkte normalerweise, dass Stromüberschüsse zwischen den Ländern gehandelt und verteilt werden.

Doch es gibt Situationen, in denen alle Nachbarländer gleichzeitig einen Überschuss an erneuerbarer Energie haben – etwa bei einer großflächigen Wind- oder Sonnenwelle in Mitteleuropa. In solchen Fällen sind die grenzüberschreitenden Handelskapazitäten schnell ausgelastet, und der Strom kann nicht mehr exportiert werden.

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der 2. Juli 2023: An diesem Tag sorgte eine außergewöhnlich hohe Solarstromproduktion in mehreren europäischen Ländern – darunter Deutschland, die Niederlande und Frankreich – dafür, dass in fast allen Marktgebieten gleichzeitig negative Strompreise auftraten. Kein Land konnte die Überschüsse der anderen aufnehmen, wodurch die Preise europaweit ins Negative rutschten.

Ursachen, Beschreibung und Auswirkungen negativer Strompreise

Fazit: Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren

Das Zusammenspiel aus einem hohen Anteil erneuerbarer Energien, schwankender Nachfrage, inflexiblen konventionellen Kraftwerken und begrenzten Speichermöglichkeiten führt dazu, dass negative Strompreise immer häufiger auftreten.

Besonders betroffen sind Stunden mit hohem Angebot und niedriger Nachfrage – typischerweise in den Mittagsstunden an Wochenenden oder Feiertagen. Die Herausforderung für den Strommarkt besteht darin, Angebot und Nachfrage besser in Einklang zu bringen und das System insgesamt flexibler zu gestalten.

Kapitel 5

Auswirkungen auf Erzeuger, Industrie und Markt

Wenn die Strompreise ins Negative rutschen, sind die wirtschaftlichen Folgen für die verschiedenen Akteure des Strommarkts sehr unterschiedlich. Während einige von negativen Preisen profitieren, entstehen für andere erhebliche Kosten und Risiken.

Die wachsende Häufigkeit dieser Preisspitzen ist Ausdruck eines grundlegenden Wandels im europäischen Stromsystem – und ein Signal für dringenden Handlungsbedarf.

Für die Erzeuger: Zwischen Risiko und Anpassungsdruck

Für Stromerzeuger – sowohl Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien als auch von konventionellen Kraftwerken – bringen negative Strompreise erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich. In solchen Situationen müssen sie ihren Strom nicht nur kostenlos abgeben, sondern sogar dafür bezahlen, dass er vom Netz aufgenommen wird.

Besonders betroffen sind steuerbare Kraftwerke wie Kohle-, Gas- oder Kernkraftwerke, die sich nicht kurzfristig abschalten lassen. Diese Anlagen laufen dann weiter und verursachen Verluste, weil sie das Netz für die Abnahme ihrer Produktion entlohnen müssen.

Die Dimension dieser Verluste wird am Beispiel Frankreich deutlich: Im ersten Halbjahr 2024 summierten sich die Kosten durch negative Preise dort auf rund 80 Millionen Euro, vor allem zulasten der Kern- und Wasserkraftwerke. Vergleichbare Effekte zeigen sich auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Hier verschärft sich die Situation zusätzlich durch gesetzliche Regelungen wie die 6-Stunden-Regelung im EEG 2014: Sobald der Day-Ahead-Preis an der Börse sechs Stunden oder länger unter null Euro pro Megawattstunde (€/MWh) liegt, erhalten Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen, die Anspruch auf eine Marktprämie haben (EEG-Anlagen), rückwirkend ab der ersten Stunde mit negativen Strompreisen keine Marktprämie mehr.

Diese Regelung, die in den letzten Jahren weiter verschärft wurde, soll Anreize schaffen, Anlagen bei anhaltend negativen Preisen abzuschalten und so das Netz zu entlasten. Für viele Betreiber bedeutet das jedoch erhebliche Einnahmeverluste und erhöht den Druck, ihre Produktion flexibel an die Preissignale des Marktes anzupassen.

Langfristig kann diese Entwicklung die Rentabilität der Anlagen beeinträchtigen und Investitionen in zusätzliche Reservekapazitäten ausbremsen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Für die Industrie: Neue Chancen durch Flexibilität

Für industrielle Verbraucher, die ihren Stromverbrauch flexibel steuern können, sind negative Strompreise eine echte Chance. Unternehmen aus der Chemie-, Stahl- oder IT-Branche, die ihre Prozesse in Echtzeit anpassen können, profitieren besonders: Sie erhöhen gezielt ihren Verbrauch in Zeiten mit negativen Preisen und werden so für ihren Mehrverbrauch sogar entlohnt.

In Deutschland, den Niederlanden und Belgien haben energieintensive Unternehmen bereits begonnen, diese Situationen systematisch zu nutzen – etwa durch die Produktion von grünem Wasserstoff oder das gezielte Hochfahren von Elektrolyseuren während Preistiefs.

Für Großkunden mit direktem Zugang zum Großhandelsmarkt bedeuten negative Preise buchstäblich ein „Energie-Einkommen“: Sie werden für jede verbrauchte Megawattstunde in diesen Zeitfenstern bezahlt. Allerdings sind diese Episoden meist punktuell und von begrenzter Dauer, sodass der Gesamteffekt auf die Jahresrechnung nur dann spürbar wird, wenn Unternehmen ihre Prozesse gezielt darauf ausrichten.

Mit dem Aufkommen von dynamischen Tarifen und der Digitalisierung des Energiemarkts eröffnen sich auch für kleinere Unternehmen und zunehmend für Privathaushalte neue Chancen. Wer einen dynamischen Tarif nutzt und über einen intelligenten Stromzähler (Smart Meter) verfügt, kann von Preisschwankungen am Day-Ahead-Markt profitieren und beispielsweise das Laden von Elektrofahrzeugen oder den Betrieb von Wärmepumpen in Zeiten mit negativen Preisen legen.

Für den finnischen Flughafenbetreiber Finavia hat Virta bereits eine maßgeschneiderte Lösung umgesetzt. Mithilfe eines an Spotpreisen orientierten Virta Engpassmanagements kann Finavia die Ladeleistung während Spitzenzeiten gezielt reduzieren und das Laden flexibel an dynamische Strompreise anpassen.

DE - Finavia CTA

Für den Strommarkt: Ein System im Wandel

Negative Strompreise sind ein Symptom für das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage, das durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien, die begrenzte Flexibilität konventioneller Kraftwerke und den Mangel an Speicherkapazitäten entsteht. Sie zeigen, dass das Stromsystem an seine Grenzen stößt und dringend flexibler werden muss.

Für den Markt insgesamt bedeuten viele Stunden mit negativen Preisen, dass die bestehenden Marktmechanismen und Fördermodelle – wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz – weiterentwickelt werden müssen. Ziel ist es, Anreize für mehr Flexibilität zu schaffen, etwa durch den Ausbau von Speichern, die Förderung flexibler Verbraucher und die bessere Integration von Angebot und Nachfrage.

Langfristig könnten negative Strompreise dazu beitragen, Innovationen zu beschleunigen und die Energiewende voranzutreiben. Kurzfristig profitieren jedoch vor allem Akteure mit direktem Zugang zum Großhandelsmarkt und diejenigen, die ihre Nachfrage flexibel steuern können.

Erneuerbare Energie Anlage: Windkraftanlage

Verschwendung im großen Maßstab: Fehlende Flexibilität kostet Milliarden

Der wirtschaftliche Verlust, den Episoden mit negativen Strompreisen verursachen, ist enorm. Überproduzierter Strom, der für -50 oder -100 €/MWh „verscherbelt“ wird, bedeutet eine Verschwendung von Ressourcen: Die Fixkosten der Anlagen (Wartung, Abschreibung) laufen weiter, und bei fossilen Kraftwerken entstehen sogar zusätzliche Umweltkosten, wenn sie unnötig laufen.

Im Jahr 2024 wurden in Deutschland rund 554 Millionen Euro an Entschädigungen an Betreiber erneuerbarer Energien Anlagen gezahlt, weil sie aufgrund von Netzengpässen und negativen Strompreisen gezwungen waren, ihre Produktion zeitweise zu drosseln.

Diese beeindruckende Zahl verdeutlicht die groß angelegte Verschwendung, die durch das Missverhältnis zwischen grünen Erzeugungskapazitäten und fehlender Infrastruktur oder Nachfragesteuerung entsteht.

Paradoxon der Energiewende: Wirtschaftliche Ineffizienz trotz Überfluss

Das Paradoxon: Statt den reichlich vorhandenen, kohlenstoffarmen Strom optimal zu nutzen, zahlt das System entweder Erzeugern dafür, dass sie nicht produzieren, oder Verbrauchern dafür, dass sie mehr verbrauchen. Das ist Ausdruck einer globalen wirtschaftlichen Ineffizienz und ein klares Signal für eine Fehlfunktion des Marktes.

Dieses Signal zwingt Regierungen und Marktteilnehmer, die Spielregeln zu überdenken, um die vorhandenen Produktionsanlagen besser zu nutzen und die Energiewende effizienter zu gestalten.

Erzeuger

Negative Preise führen zu finanziellen Verlusten und schwächen die Rentabilität von steuerbaren Kraftwerken.

EEG-Anlagen

Betreiber von EEG-Anlagen müssen bei negativen Strompreisen finanzielle Einbußen hinnehmen. 

Industrie

Industrieproduktionen, die in der Lage sind, ihren Verbrauch anzupassen, profitieren von negativen Preisen.

Markt

Die zunehmende Häufigkeit negativer Strompreise steigert die Volatilität und erschwert das Risikomanagement für alle Akteure am Strommarkt.

Kapitel 6

Chancen für Betreiber von Ladeinfrastruktur

Die zunehmende Zahl von Stunden mit negativen Strompreisen eröffnet Betreibern von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge neue Möglichkeiten, von den Entwicklungen am Strommarkt zu profitieren.

Gerade in einem Marktumfeld mit hohem Anteil erneuerbarer Energien und häufigen Phasen mit negativen Preisen können innovative Geschäftsmodelle und intelligente Steuerungssysteme entscheidende Wettbewerbsvorteile bieten.

Intelligentes Lademanagement: Kosten senken, Netz stabilisieren

Durch die Integration von Preissignalen aus dem Day-Ahead-Markt, dynamischen Tarifen und sogenannten Time-of-Use (ToU)-Tarifen in die Steuerung der Ladepunkte können Betreiber gezielt Ladezeiten in Stunden mit negativen oder besonders niedrigen Strompreisen legen. Besonders zur Mittagszeit, wenn Photovoltaik-Anlagen viel Strom erzeugen und Angebot und Nachfrage auseinanderklaffen, entstehen negative Strompreise.

In diesen Zeitfenstern können Betreiber Strom zu besonders günstigen Konditionen einkaufen – teilweise sogar mit Vergütung pro verbrauchter Kilowattstunde.

Mit einem intelligenten Lademanagement, das die Vorteile von ToU-Management nutzt, lassen sich so nicht nur die eigenen Energiekosten minimieren, sondern auch attraktive Tarife für Endkunden anbieten. Die Flexibilität, Ladevorgänge auf Stunden mit negativen oder günstigen Preisen zu verschieben, wird durch die Tatsache begünstigt, dass viele Elektrofahrzeuge tagsüber – etwa auf Firmenparkplätzen oder an Einkaufszentren – mehrere Stunden stehen.

So kann ein gut gesteuertes Ladenetz als „Puffer“ dienen, der überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energieanlagen aufnimmt und so das Netz entlastet.

Erfahren Sie hier, wie Virta bereits erfolgreich an Lösungen für ToU-Management arbeitet und diese in einem gemeinsamen Piloten mit E.ON umsetzt. 

 

burgandy car charging

Neue Geschäftsmodelle und dynamische Tarife

Die Phasen mit negativen Strompreisen ermöglichen es Betreibern, innovative Tarifmodelle zu entwickeln. Beispielsweise können sie dynamische Tarife oder spezielle Angebote einführen, bei denen das Laden während Stunden mit negativen Preisen besonders günstig oder sogar kostenlos ist. Denkbar sind auch Bonusprogramme, bei denen Nutzer für das Laden in grünen Stunden mit negativen Preisen belohnt werden.

Durch die Aggregation vieler Ladepunkte können Betreiber zudem als Flexibilitätsdienstleister auftreten: Sie bündeln die Last ihrer Flotte und bieten diese gezielt am Markt an, um auf Schwankungen bei Angebot und Nachfrage zu reagieren.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Vehicle-to-Grid (V2G)-Technologien wird es künftig sogar möglich sein, Strom aus den Fahrzeugbatterien in Zeiten hoher Nachfrage und hoher Preise zurück ins Netz oder in Gebäude einzuspeisen – und so zusätzliche Erlöse zu erzielen.

Technische Voraussetzungen und Herausforderungen

Um von negativen Strompreisen optimal zu profitieren, benötigen Betreiber fortschrittliche Softwarelösungen, die Preissignale, Wetterprognosen und Netzanforderungen in Echtzeit auswerten. Algorithmen müssen die besten Ladezeitpunkte vorhersagen und die Ladeleistung flexibel steuern. Ein Risiko besteht darin, dass sich negative Preise kurzfristig ändern können – etwa durch plötzliche Wetterumschwünge, die die Einspeisung aus erneuerbaren Energien reduzieren. Hier ist eine präzise Prognose und ein flexibles Lastmanagement entscheidend.

Auswirkungen auf Endkunden und Marktregeln

Bislang profitieren vor allem Betreiber von erneuerbaren Energieanlagen von negativen Strompreisen, da viele Endkunden weiterhin feste Stromtarife nutzen. Mit der zunehmenden Verbreitung von Smart Metern und dynamischen Tarifen wird es jedoch auch für Privatkunden attraktiver, ihren Stromverbrauch gezielt in Zeiten mit besonders niedrigen oder sogar negativen Preisen zu verlagern.

Ein wichtiger regulatorischer Rahmen ist die sogenannte 6-Stunden-Regelung aus dem EEG: Sie besagt, dass Betreiber von erneuerbaren Energieanlagen keine Marktprämie mehr erhalten, wenn der Börsenstrompreis an mindestens sechs aufeinanderfolgenden Stunden negativ ist. Dadurch entsteht ein Anreiz, die Stromproduktion in Zeiten von Überangebot flexibel zu steuern und so zur Stabilisierung des Stromsystems beizutragen.

Auch im Bereich der Netzentgelte gibt es Anreize für mehr Flexibilität. Die sogenannte 3-Stunden-Regel ermöglicht es Großverbrauchern, von reduzierten Netzentgelten zu profitieren, wenn sie ihren Stromverbrauch gezielt in mindestens drei zusammenhängende Stunden pro Tag mit niedriger Netzlast legen.

Beide Regelungen fördern die Flexibilität im Stromsystem und unterstützen die Integration erneuerbarer Energien, indem sie Anreize für ein netzdienliches Verhalten schaffen.

Fazit: Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg

Betreiber von Ladeinfrastruktur, die auf Flexibilität, dynamische Tarife und intelligentes Lademanagement setzen, profitieren von diesen Marktchancen. Sie leisten damit nicht nur einen Beitrag zur Integration eines hohen Anteils erneuerbarer Energien, sondern profitieren auch wirtschaftlich von den neuen Rahmenbedingungen des Strommarkts in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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Kapitel 7

Mittelfristige Perspektiven: Regulierung, Speicher und intelligente Netze

Der rasante Anstieg der Stunden mit negativen Strompreisen ist kein Zufallsphänomen, sondern ein klares Symptom der fortschreitenden Energiewende in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mittelfristig werden verschiedene Hebel und Entwicklungen diskutiert, um die Herausforderungen durch negative Preise zu adressieren und gleichzeitig die Chancen zu nutzen, die sich aus einem hohen Anteil erneuerbarer Energien ergeben.

Anpassung des regulatorischen Rahmens

Bereits heute werden die Marktregeln und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) regelmäßig angepasst, um auf die steigende Zahl von Stunden mit negativen Preisen zu reagieren.

Die 6-Stunden-Regelung aus dem EEG 2014, nach der Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen bei längeren Phasen mit negativen Strompreisen keine Marktprämie mehr erhalten, wurde inzwischen mehrfach verschärft.

Das zeigt erste Erfolge, da es in Deutschland bereits seit einigen Jahren gängige Praxis ist, PV-Anlagen und Windparks bei negativen Preisen abzuschalten bzw. vom Netz zu nehmen, da ein wirtschaftlihcer Betrieb dann nicht mehr möglich ist. 

Windkraftanlage illustration als bewegendes Bild GIF

Ergänzend dazu gibt es im Bereich der Netzentgelte die sogenannte 3-Stunden-Regel, die Großverbrauchern reduzierte Netzentgelte ermöglicht, wenn sie ihren Stromverbrauch gezielt in Zeiten niedriger Netzlast verlagern. Beide Regelungen fördern Flexibilität und Netzstabilität, betreffen jedoch unterschiedliche Akteure und Anwendungsbereiche. 

Zukünftig könnten die Schwellenwerte, ab denen Anlagen bei negativen Preisen abgeschaltet werden müssen, weiter gesenkt werden. Auch die Einführung von flexibleren Fördermechanismen und dynamischen Tarifen wird diskutiert, um Angebot und Nachfrage besser in Einklang zu bringen und die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen zu begrenzen. So profitieren Betreiber, die flexibel auf Preissignale reagieren, stärker von negativen Preisen und können durch direkten Zugang zum Strommarkt zusätzliche Erlöse erzielen.

Technologische Lösungen: Speicher und Flexibilität

Technologische Innovationen sind der Schlüssel, um das Stromsystem widerstandsfähiger gegen Preisschwankungen zu machen. Der Ausbau von Energiespeichern – von Batteriespeichern über Pumpspeicherkraftwerke bis hin zu neuen Speichertechnologien – ermöglicht es, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien Anlagen in Zeiten mit negativen Preisen aufzunehmen und später bei hoher Nachfrage wieder einzuspeisen. So lassen sich Angebot und Nachfrage besser ausgleichen und negative Strompreise treten seltener auf.

Gleichzeitig gewinnen intelligente Netze (Smart Grids) und automatisierte Steuerungssysteme an Bedeutung. Sie ermöglichen es, Verbrauch und Erzeugung in Echtzeit zu steuern und flexible Verbraucher – etwa Ladepunkte für Elektrofahrzeuge oder Wärmepumpen – gezielt in Stunden mit negativen Preisen zu aktivieren. Durch die Verbreitung dynamischer Tarife und die Nutzung von Smart Metern können auch Endkunden von negativen Strompreisen profitieren und ihren Verbrauch rückwirkend ab der ersten Stunde in günstige Zeitfenster verschieben.

Europäische Koordination und Marktintegration

Die Herausforderungen durch negative Strompreise machen nicht an Landesgrenzen halt. Eine verstärkte europäische Koordination – etwa durch den Ausbau grenzüberschreitender Stromleitungen und eine bessere Synchronisierung der Day-Ahead-Märkte – kann dazu beitragen, Überschüsse aus Regionen mit hohem Anteil erneuerbarer Energien in weniger gesättigte Märkte zu exportieren. So werden extreme Preisausschläge abgefedert und das gesamteuropäische Stromsystem stabilisiert.

Darüber hinaus werden Prognose- und Ausgleichstools immer wichtiger: Mit Hilfe von KI, Wetterdaten und Echtzeit-Analysen können Netzbetreiber und Erzeuger plötzliche Überproduktionen frühzeitig erkennen und vermeiden. Die Integration erneuerbarer Energien in die Ausgleichsmechanismen des Strommarkts ist ein zentraler Baustein für ein flexibles und resilientes Energiesystem.

Fazit: Flexibilität und Innovation als Antwort auf negative Strompreise

Die Modernisierung der Infrastruktur, die Anpassung der Förderregeln für erneuerbare Energien, der Ausbau von Speicherkapazitäten und die Förderung flexibler Energieversorgung sind die strukturellen Antworten auf die Herausforderungen durch negative Strompreise. 

Die Energiewende erfordert ein neues Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage – kurzfristig durch gezielte Anpassungen, mittelfristig durch den Aufbau eines flexiblen, reaktiven und integrierten Stromsystems. Mit intelligenter Regulierung, technischen Innovationen (Speicherung, Smart Grids) und dem Engagement aller Akteure (Erzeuger, Verbraucher, Ladebetreiber usw.) werden negative Strompreise zu einer kontrollierten Chance für einen dekarbonisierten und ausgewogenen Strommix.

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