Faktencheck: Ist die Umweltbilanz bei einem Elektroauto schlechter?

von Virta
6 Min
11.10.2022 12:25:39

Millionen Elektroautos sind bereits auf deutschen Straßen unterwegs und trotzdem wird die Nachhaltigkeit von Elektroautos vielfach angezweifelt. Dazu möchten wir verschiedene Aspekte zur Umweltbilanz eines Elektroautos durchleuchten und Fakten offenlegen, um eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage der Umweltbilanz eines E-Autos abgeben zu können.

Mittlerweile gehören E-Autos zum deutschen Straßenbild dazu und sind kaum wegzudenken. Der E-Boom hält trotz der schwächelnden Verkaufszahlen bei herkömmlichen Fahrzeugen ungehindert fort, auch weil viele neue Modelle das Erzielen hoher Reichweiten endlich möglich machen.

Sind Elektroautos aber nachhaltiger als Ihre Counterparts mit Verbrennungsmotor? Dieser Frage der Umweltbilanz gehen wir hier auf den Grund. 

Umweltbilanz Elektroauto: Direkter Ausstoß = 0

Na klar. Elektroautos haben keinen Auspuff und stoßen daher im Betrieb keine Emissionen aus. Diesel und Benziner stoßen im Betrieb eine beträchtliche Menge an Stickoxiden, Feinstaub und klimaschädlichen Emissionen, also CO2, frei und dies kann sich besonders in dicht besiedelten Gebieten direkt bemerkbar machen.

Durch die Einführung von neuen Emissionsstufen wie die der Euro 6d-TEMP, haben sich Partikelausstoß bei Verbrennern in den letzten Jahren aber deutlich verbessert.

Entscheidend ist auch der Wirkungsgrad des Energieträgers

Bei der Evaluierung der Umweltbilanz eines Fahrzeuges nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls der Wirkungsgrad der jeweiligen Antriebsart. Der Wirkungsgrad gibt Aufschluss darüber, wie viel der zugeführten Energie für die tatsächliche Fortbewegung des Fahrzeugs genutzt wird.

Je höher der Wirkungsgrad, desto weniger Energie geht auf dem Weg von Energiequelle bis zum Fahrzeugrad verloren, sprich, desto effizienter ist die Antriebsart.

Umweltbilanz Elektroauto: Wirkungsgrad verschiedener Antriebsarten

Laut den Berechnungen von Agora Verkehrswende, Öko-Institut und BMUV werden auch hier die Vorteile des Elektromotors deutlich. Beim Betrieb eines Elektromotors werden 69 Prozent der zugeführten Energie tatsächlich für die Fortbewegung eingesetzt, vorausgesetzt, der Betrieb erfolgt zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien.

Das macht sie nicht nur effizient sondern auch deutlich umweltfreundlicher. Bei einem Benziner liegt der Wirkungsgrad gerade mal bei 20 Prozent. Hier geht der Großteil der Energie während des Transports und der Herstellung des Treibstoffs oder durch Abwärme beim Betrieb verloren.

Unter diesen Gesichtspunkten weist ein Elektroauto ohne Frage eine deutlich bessere Umweltbilanz auf als Fahrzeuge, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden. Wie sieht es aber mit der Umweltbilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs aus?

Bei der Umweltbilanz eines Elektroautos ist der Lebenszyklus entscheidend

Um hier ein genaueres Bild malen zu können, müssen auch die Emissionen in Betracht gezogen werden, die bei der Herstellung von Fahrzeug und Batterie entstehen.

Nicht zu vergessen sind ebenfalls die Emissionen, die bei der Stromherstellung anfallen. Diese können jedoch vernachlässigt werden, da der Anteil des Stroms aus Kohlekraftwerken, der schlussendlich als Fahrstrom für E-Autos Verwendung findet, nur einen sehr geringen Prozentsatz ausmacht. 

Emissionsintensiv sind die Fahrzeugherstellung, insbesondere die Herstellung von Stahl. Auch die Produktion der Batterie verursacht eine hohe Feinstaubbelastung.

Beim CO2 Ausstoß liegen die Vorteile eines E-Autos klar auf der Hand

Über einen ganzen Lebensweg hin betrachtet, stoßt ein Elektroauto in Europa im Vergleich zu einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor (Benzin oder Diesel) im Schnitt nur 30 Prozent der Menge an CO2 aus.

Transport & Environment

Mit dem CO2-Rechner von Transport & Environment, einer europäischen Dachorganisation für den nachhaltigen Transport, ergibt sich nun folgendes Rechenbeispiel:

Umweltbilanz Elektroauto: CO2 Ausstoß verschiedener Fahrzeugmodelle über den gesamten Lebenszyklus

Ein 2022 neu erworbenes E-Auto stoßt über den gesamten Lebenszyklus insgesamt 21,1 Tonnen CO2 aus, also mindesten 60 Prozent weniger als ein vergleichbarer Diesel oder Benziner, ist also deutlich nachhaltiger.

Laut Prognosen wird diese Diskrepanz bis 2030 Zugunsten von E-Autos immer größer. Einerseits, weil der Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix kontinuierlich steigt und auch, weil die Produktion der Batterien in Zukunft deutlich weniger Emissionen verursachen wird.

Dieser Rechnung zugrunde gelegt ist die Annahmen, dass es sich um neue Fahrzeugmodelle handelt, die im Jahr 2022 erstzugelassen werden.

Die E-Autos sind in Deutschland unterwegs, die Batterien wurden in Europa hergestellt und die geladene Energie entspricht dem Strommix hierzulande. Werden für das Laden des E-Autos ausschließlich erneuerbare Energien verwendet, reduzieren sich ebenfalls die CO2-Emissionen eines Elektroautos weiter

Umweltbundesamt

Auch eine kürzliche Studie des Umweltbundesamts kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg haben E-Autos bei Neuzulassung im Jahr 2020 einen Klimavorteil von 40 Prozent gegenüber Verbrennern. Bei Zulassung in 2030 sind die Treibhausgasemissionen sogar um 55 Prozent geringer als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. 

Untersucht wurde ebenfalls die Umweltbilanz bei Lkw. Hier ist das Ergebnis noch eindeutiger. Bei Zulassung in 2030 sind diese bereits zu 73 bis 78 Prozent im Klimavorteil gegenüber klassischen Sattelzügen - bei zügigem Ausbau von erneuerbaren Energien. Ansonsten liegt der Vorteil bei 55 bis 60 Prozent. 

Fraunhofer Institut

Wissenschaftler:innen der System- und Innovationsforschung des Fraunhofer Instituts haben berechnet, dass E-Autos mindestens 52.000 Kilometer gefahren werden müssen, damit die CO2-Umweltbilanz gegenüber einem vergleichbaren Benziner oder Diesel positiv wird.

Das gilt beim Laden mit deutschem Strommix. Wird mit erneuerbaren Energien geladen, hat dies einen sehr großen Einfluss auf die Umweltbilanz eines Elektroautos, da Treibhausgasemissionen bereits nach 20.000 gefahrenen Kilometern gegenüber herkömmlichen Verbrennen kompensiert werden.

Die Umweltfreundlichkeit von E-Autos liegt klar auf der Hand und wird auch vom Staat zusätzlich belohnt. So können Fahrer:innen von E-Autos eingesparte CO2-Emissionen ihrer Fahrzeuge dank dem Treibhausgas- (THG)-Quotenhandel zu Geld machen.

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Bei der Herstellung von Elektroautos gibt es Nachholbedarf

Während der Vorteil eines Elektroautos bei klimaschädlichen Emissionen wie CO2 ganz deutlich gegeben ist, zeigt sich bei Feinstaub und Stickoxiden ein ganz anderes Bild.

Über den gesamten Lebensweg hinweg sind die Belastungen durch Feinstaub und Stickoxiden bei einem Elektroauto nicht unbedingt niedriger als bei einem Verbrenner. So sind Feinstaubwerte durch die arbeitsintensive Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien sogar höher als für Benziner oder Diesel.

Zu differenzieren ist hier allerdings bei der Örtlichkeit, wo der Schadstoffausstoß schlussendlich stattfindet. Denn der Ausstoß von gesundheitsschädlichen Partikeln und Stoffen bei Elektroautos findet in der Regel beim Herstellungsprozess lokal und zeitlich isoliert statt und nicht über einen längeren Zeitraum hinweg in einer dicht-bevölkerten Innenstadt, wie es bei Verbrennern der Fall ist.

Auch beim Rohstoffaufwand für die Herstellung von Fahrzeugen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Die Produktion von E-Autos ist rohstoffintensiver, allen voran die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien.

Diese ist mit einem hohen Wasserverbrauch und ökologisch, sozial und ethisch problematischen Förderbedingungen bei Kupfer, Nickel und Kobalt verbunden. Hier ist allerdings davon auszugehen, dass neue Entwicklungen und Technologien in Zukunft die Effizienz und Umweltbilanz der Batterieproduktion deutlich verbessern werden.

Forschung und Entwicklung arbeiten bereits unentwegt daran, Herstellungsprozesse und Methoden zum Recycling von Batterien zu verbessern. So hat Tesla im Impact Report von 2021 bekanntgegeben, dass mittlerweile 92 Prozent der Rohstoffe aus alten Batterien wiederverwertet werden können. 

Wie sieht nun die Umweltbilanz bei einem Elektroauto aus?

  • Insgesamt sind bei einem Elektroauto im Betrieb und über den gesamten Lebenszyklus hinweg CO2-Emissionen deutlich niedriger als bei einem Verbrenner.
  • Bei Schadstoffen wie Stickoxiden und Feinstaub ist die Umweltbilanz bei einem Elektroauto nicht unbedingt besser. Hier ist aber davon auszugehen, dass Forschung und Entwicklung Schadstoffe, wie sie beispielsweise bei Produktion der Batterien entstehen, deutlich reduzieren können.
  • Nicht zu vernachlässigen ist allerdings der Vorteil von Elektrofahrzeugen, dass der Großteil der Schadstoffe nicht im Betrieb, sondern konzentriert und fernab von urbanen Gebieten ausgestoßen werden.
  • Übrigens verursachen E-Autos kaum Lärmverschmutzung und sind daher deutlich schonender für Mensch und Tier. 
  • Ein Elektroauto ist bestimmt nicht das Allheilmittel für die Klimakrise und andere Herausforderungen, aber vielmehr ein Weg, um auf langer Sicht Emissionen aktiv zu senken und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. 

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Dies ist der zweite Beitrag aus unserer Faktencheck-Reihe zur E-Mobilität. In unserem ersten Beitrag sind wir der Frage nachgegangen, ob die vielen E-Autos in Zukunft unser Stromnetz überlasten werden

Quellen: